Unterabschnitte
Ontogenese
Zelldetermination
Die Entwicklung eine Neurons ist von zwei Komponenten abhängig. Zum
einen von seiner Zelline (dem ,,Stammbaum`` der Zelle) und zum
anderen von dem Einfluss durch die umgebenden Zellen.
Die Polarisation eines Neurons in Dendriten und Axon ist bereits
gegeben, bevor sie sich differenziert.
Ein Beispiel für eine starke Ausprägung findet man bei
C. elegans, bei dem das Schicksal aller 302 Neurone nur wenig
beeinflussbar ist, während z.B. in den Ommatidien der meisten
Insekten die Differenzierung der Zellen nur durch die Nachbarzellen
gesteuert wird. Normalerweise ist die Differenzierung eine Mischung
aus beiden Faktoren. Im Cortex der Vertebraten konnte man zeigen, dass
die Herkunft der Neurone nicht deren Funktion bestimmt, sondern sich
diese erst durch die Entwicklung ergibt.
Bei Vertebraten haben Neurone und Gliazellen teilweise gleiche
Vorläuferzellen.
Ein sehr interessantes Beispiel bildet hier der Sehnerv der
Ratte. Dieser Nerv enthält drei Typen von Gliazellen: Astrozyten vom
Typ I, vom Typ II, sowie Oligodendrocyten. Alle diese Zelle Entstammen
einer Vorläuferzelle vom Typ I. Unter dem Einfluss von PDGF entstehen
aus dem Typ I O2A-Zellen. Diese werden durch CNTF in den Typ II
überführt. Nach einer bestimmten Anzahl an Mitosecyclen reagiert die
O2A-Zelle nicht mehr auf den Wachstumsfaktor und differenziert zu
einem Oligodendrocyt.
Sehr wahrscheinlich werden die meisten Differenzierungen in
Abhängigkeit von mehreren Wachstumsfaktoren durchgeführt.
Bei Insekten hat sehr wahrscheinlich jeder Neuroblast eine Identität,
durch die spezialisierte Nachkommen bildet.
Differenzierung der Nevenzellen
Bei Amphibien ist die Ontogenese mit am besten untersucht, weshalb im
folgenden viele Punkte spezifisch auf diese Tiergruppe ausgerichtet
sind.
Die Induktion der Amphiben beginnt mit dem Eindringen des Spermiums in
die Eizelle; der Punkt, an dem das Spermium in die Eizelle eindringt
ist bestimmend für die dorsoventrale Körperachse. Es kommt dann durch
Furchung zur Blastula.
Aus dem Blastula-Stadium der Amphibien heraus bildet sich das
Blastocoel aus. Die Blastula gliedert sich in einen animalischen und
einen vegetativen Pol. Die Zellen des vegetativen Pols induzieren die
Bildung von Endoderm und Mesodermanlage.
In der Gastrultion entsteht dann ein dreischichtiger Embryo.
Die Differenzierung der Nervenzellen beginnt mit dem Einfluss der
organisatorregion, durch die die Bildung von Nervenzellen induziert
wird. Ohne diese Region entwickeln sich epidermale Zellen an Stelle
der Neurone.
Die Bildung des Neuralrohrs wird Neurulation genannt.
Bei Amphibien und Säugern bildet sich eine neurale Furche, die sich
dann zum Neuralrohr schliesst, während bei Vögeln und Fischen das
Neuralrohr dadurch entsteht, dass eine Platte von epidermalen Zellen
,,ausgehöhlt`` wird.
Bei Säugern und Amphibien entsteht aus der Fusionsstelle des
Neuralrohrs die Neurlleiste und später das periphere Nervensystem.
Prächordales mesodermales Gewebe induziert die Segmentierung des
Rückenmarks (neuralisierender Einfluss). Die
Segmentierung des Rautenhirns hingegen wird von Zellen innerhalb des
Neuralrohrs induziert. Die Segmentierung korreliert mit der Expression
bestimmter Transkriptionsfaktoren (Homöobox).
Durch das Ektoderm wird ein regionalisierender Einfluss ausgeübt
dessen molekulare Grundlage bisher ungeklärt ist.
Bei Insekten entstehen neurogene Regionen aus Neuroblasten (einzelnen
Zellen). Die Induktion beruht auf der Wechselwirkung der Zellen
untereinander. Je nach Einfluss wird aus der Zelle ein Neuroblast oder
ein Epidermoblast. Einige der Epidermoblasten werden später Sensillen
oder Sinnesorgne.
Wanderbewegungen der Neurone
Im zellfreien Raum wandern die Zellen der Neuralleiste entlang einer
extrazellulären Matrix. Dadurch, dass die Fibronektinrezeptoren diffus
auf der Zelloberfläche verteilt sind, wird ein Anheften an den Fasern
verhindert.
Die meisten Neurone wandern vom Ort ihrer Differenzierung weg. In
vielen Gebieten orientieren sich die Neurone bei ihrer Wanderung an
den radial verlaufenden Gliazellen. Sehr wahrscheinlich wird die
Wanderung durch einen Substratgradienten gesteuert.
Erreit eine Zelle ihren Bestimmungsort, so bildet sie ein Axon mit
einem Wachstumskegel, von dem mehrere bewegliche Tast-Füsschen
(Filopodien) ausgehen.
Bei dem klassischen Versuch von Sperry, bei dem einem Frosch ein Auge
um 180 verdreht transplantiert wurde, konnte man sehen, dass die
Neurone wieder in ihre urspüngliche Region wachsen und so ein um 180
gedrehtes Bild erzeugen. Hieraus entstand di Hemoaffinitätshypothese,
dass die Neurone einen spezifischen Marker auf ihrer Oberfläche
tragen, der ihren Bestimmungsort codiert. Man nimmt heute an, dass
diese Inteaktion auf CAMs, Cadtherine und Integrine zurückzuführen
ist.
Wie man mittels radiaktiver Markierungen zeigen konnte, wandern im
Cortex die später entstandenen Neurone in höhere Schichten.
Bei Insekten wachsen von den sinnesorganen zunächst zwei
Pionierneurone entlang markierter Bahnen in das Ganglion aus. Die
restlichen Neurone folgen auf ihrem Weg den Pionierneuronen; wobei die
Pionierneurone jedoch nicht festgelegt sind - prinzipiell kann jedes
Neuron zu einem Pionierneuron werden.
Ausbildung von Synapsen
Am Beispiel der motorischen Endplatte soll die Ausbildung von Synapsen
erläutert werden:
Initialisiert wird die Ausbildung der Synapsen durch eine erste
primitive Übertragung von Acetylcholin.
Dies führt dazu, dass sich eine motorische Endplatte bildet, indem die
Frequenz der postsynaptischen Potentiale weiter zunimmt und sich die
Acetycholinrezeptoren in der postsynaptischen Membran weiter
stabilisieren, neue Rezeptoren gebildet werden und sich im Bereich der
zukünftigen Synapse konzentrieren. Dieser Prozess wird von dem Neuron
durch das Freisetzen der Proteine Argin und ARIAS gesteuert.
Wenn die Acetylcholinrezeptoren in ausreichender Menge an der
Postsynapse vorhanden sind, werden diese immobilisiert und die
Leitfähigkeit wird durch eine Modifikation der Untereinheiten erhöht.
Anfangs können auf diesem Weg mehrere Axone einen Muskel innervieren;
im weiteren Verlauf werden jedoch alle bis auf eines eliminiert
(Konkurrenzprinzip).
Dieses Konkurrenzprinzip kommt z.B. auch bei den Augendominanzsäulen
im Gehirn zu tragen. Dort konkurrieren die Neurone der beiden Augen
miteinander. Wird ein Auge während der Entwicklung abgedecket, so
verdrängen die Neurone des anderen Auges die des abgedeckten.
Apoptose
Bei C. elegans sterben 131 der 1090 somatischen Kerne immer
ab. Auch bei Insekten sterben Zellen, die in bestimmten Neuronen nicht
benöigt werden ab.
Bei Vertebraten trifft man auf Apoptose - wie oben erwähnt - als
Folge von Konkurrenz zwischen Neuronen. Häufig ist dies durch eine
Konkurrenz um eine bestimmte Substanz am Zielort bedingt. Überleben
können nur die Neuone, die eine genügend hohe Konzentration der
Substanz erhalten - die anderen Neurone sterben ab. Solch eine
Substanz ist z.B. NGF.
Neuronale Verschaltung
Die neuronale Verschlatung am Zielort wird durch Interaktion zwischen
der prä- und der postsynaptischen Zelle ausgelöst.
Bei den meisten Verschaltungsprozessen spielt die Erfahrung in der
Entwicklungsphase eine wichtige Rolle. Ratten, die man während der
Entwicklungsphase unter Reizentzug (Deprivation) gehalten hat, sind im
adulten Stadium weniger für komplexe Lernaufgaben geeignet als normal
aufgewachsene. Auch Kaspar-Hauser-Kinder sind zumeist nicht in der
Lage, später noch Sprache oder ähnliche Fähigkeiten zu erlernen.
Ein typisches Beispiel für das Lernen durch Erfahrung ist das
Prägungslernen. Die Duftprägung bei Säugern ist im olfaktorischen
Bulbus lokalisiert. Die akustische und visuelle Prägung bei Vögeln
findet im rostromedianen Vorderhirn statt. In beiden Gebieten findet
man zunächst eine Zunahme der Anzahl an Dendritischen Dornen, die dann
zusammen mit einer Gestaltänderung der Neurone wieder abnimmt.
Auch bei anderen Lernprozessen wie z.B. dem Lernen von komplexen
motorischen Aufgaben nimmt die Synapsendichte (hier im Cerebellum)
deutlich zu. Bei den Säugern folgt diesem Ansteigen der synaptischen
Dichte dann zumeist eine selektive Stabilisierung bestimmter Synapsen
und eine Eliminierung der restlichen. Dieses - der Ausbildung der
Augendominanzsäulen ähnliche Prinzip wird als Konkurrenz bezeichnet.
Diese Prozesse lassen sich auch am erwachsenen Tier noch
beobachten. Kann ein Affe z.B. zwei Finger nur noch zusammen bewegen
(etwa weil sie zusammengenäht wurden), so verwachsen die rezeptiven
Felder dieser Finger miteinandern. Dieses Verhalten der Neurone
bezeichnet man als Kooperativität.
Ob Kooperativität oder Konkurrenz auftreten hängt von der Synchronität
der prä- und postsynaptischen Zelle ab.
Die synchrone Erregung von prä- und postsynaptischer Zelle führt zu
einer Verstärkung dieser Bindung (Langzeit-Potenzierung oder LTP).
Das Gegenteil der Langzeitpotenzierung ist die Lanzeit-Depression
(LTD). Wenn die postsynaptische Zelle stark, die präsynaptische
hingegen nicht erregt ist, spricht man von einer heterosynaptischen
LTD, sit die präsynaptische Zelle schwach und die postsynapstische
nicht eregt, handelt es sich um eine homosynaptische LTD und sind die
beiden Zellen antzyklisch erregt, nennt man dies eine assoziative LTD.
Merksatz: Cells that fire together wire together.
Es wird angenommen, dass der NMDA-Rezeptor in diesem Fall als
Koinzidenzdetektor funktioniert, indem die erste Depolarisation den
Mg2+-Block beseitigt und die zweite Depolarisation für einen
vermehrten Ca2+-Einstrom sorgt.
Entwicklung der visuellen Verschaltungen
Das Sehsystem wird - wie viele andere Systeme auch - durch die
frühkindlichen Erfahrungen geprägt. So können z.B. Patienten, die an
grauem Star als angeborener Krankheit litten und bei denen diese erst
nach dem 10. Lebensjahr entfernt wurde auch später kaum Formen
erkennen.
Gerade die schon in 2.1.4 ab gesprochene
Ausbildung der Augendominanzsäulen ist ein gutes Beispiel für das
Lernen durch Erfahrung. Durch das Verschliessen des einen Auges
bekommen dessen Fasern keine Singnale und werden bei der Ausbildung
der Dominanzsäulen benachteiligt. Durch die Konkurrenz mit dem anderen
Auge bilden sie sich zurück und werden verdrängt.
Im Corpus geniculatum lateralt bilden sich durch eine Spontanaktivität
des Sehnervs in utero bereits Schichten aus. Dieses Phänomen folgt der
von Hebb postulierten Regel, dass eine gemeinsame prä- und
postsynaptische Aktivität die dazwischen liegende Synapse verstärkt.
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