Unterabschnitte
Krebs
Krebszellen unterliegen nicht mehr der normalen Wachstumskontrolle und
sind auch nicht mehr auf das eigentliche Gewebegebiet eingschränkt.
So lange die Zellen eines Tumors zusammen bleiben, werden sie als
gutartig (benigne) bezeichnet; wenn er hingegen in benachbartes Gewebe
eindringt, dann wird er als bösartig (maligne) bezeichnet.
Eine weitere Einteilung erfolgt nach dem Gewebe, von dem der Tumor
abstammt. Tumore aus Epithelzellen werden als Carcinome, solche aus
Binde- und Muskelgewebe als Sarcome bezeichnet. Leukämie geht von den
blutbildenden Zellen aus.
Die meisten Tumore gehen auf eine einzige entartete Zelle zurück.
Bei Patienten mit chronisch-myelotischer Leukämie entsteht diese fast
immer durch eine Translokation zwischen den langen Armen der
Chromosomen 22 und 9. Das Chromosom wird Philadelphiachromosom
genannt. Man findet jedoch eine leichte Verschiebung der Bruchstelle;
dies deutet eindeutig auf eine Mutation, die auf eine einzelne Zelle
zurückgeht hin.
Krebs entsteht fast immer durch eine Veränderung des Erbguts. Diese
wird durch chemische Reagentien, ionische Strahlung oder Viren
wahrscheinlicher. Chemische Substanzen, die Krebs auslösen werden als
Carcinogene bezeichnet. Die meisten dieser Substanzen sind Mutagene,
die eine Mutation herbeiführen können.
Da solche Mutationen aber auch im normalen Leben auftreten (beim
Menschen mutieren 1010 Gene während des Lebens), darf eine
einzelne Mutation noch nicht krebserzeugend sein.
Das Aubrechen von Krebs dauert zumeist mehrere Jahre nach dem Kontakt
mit dem Mutagen. Bei Krebs im Muttermund findet man zunächst
Dysplasie-Bereiche, in denen sich nicht nur Zellen der Basalschicht,
sondern auch anderer Zellschichten teilen und die Zellen in einem sehr
frühen Stadium bereits abgegeben werden. Diese Bereiche bilden sich
häufig zurück; entwickeln sich aber in einigen Fällen auch zu einem
Carcinoma in situ, bei dem die Zellteilung und Differenzierung sehr
gestört ist. Auch dieses Gewebe entwickelt sich nur in 20-30% der
Fälle zu einem Tumor, der das umliegenden Gewebe durchdringt und
zerstört.
Die Geschwindigkeit, mit der sich Krebs entwickelt hängt von folgenden
Faktoren ab:
- Mutationsrate
- Populationsgrösse
- Reproduktionsgeschwindigkeit
- Selektionsvorteil
Ein Substanz, die das Erbgut schädigt, so dass später mit höherer
Wahrscheinlichkeit Krebs entsteht wird als Tumor-Initiator
bezeichnet. Wenn ein solcher Initiator auf die Zellen eingewirkt hat,
dann können auch Substanzen, die normalerweise keine mutagene Wirkung
haben, die Tumor-Promotoren, Krebs auslösen.
Der Tumorpromotor regt Zellen zur Teilung an, was in den mit dem
Tumor-Initiator behandelten Gebieten zu Papillomen, keinen gutartigen
Tumoren, führt. Bei dieser Teilung kann es durch spontan Mutation
dazu kommen, dass sich eine Zelle auch ohne Anwesenheit des
Tumor-Promotors weiter teilt und es zu Krebs kommt.
Die Ausprägung von Krebs hängt ganz wesentlich von den Umweltfaktoren
ab. Die kann man auch daran erkennen, dass unterschiedliche Krebsarten
in verschiedenen Populationen unterschiedlich häufig auftreten.
Damit aus einer normalen Zelle ein Tumor entsteht, muss nicht nur die
Teilungskontrolle geändert werden, sondern die Zelle muss auch die
Bildung von Blutgefässen induzieren. In den Eithelien herrscht
ausserdem immer ein Gleichgewícht zwischen Zellteilung und Abstossen
von Zellen. Eine einfache schnellere Teilung würde nur dazu führen,
dass mehr Zellen abgestossen werden; für einen Tumor muss also das
Teilungsmuster der Zelle so geändert werden, dass sie entweder nur
noch Stammzellen oder eine grosse Anzahl nicht normal differenzierter
Tochterzellen bildet.
Wenn eine Zelle das Gewebe verlässt und in die Blutbahn eindringt,
kann es, wenn die Zellen die dazu nötigen Proteine (Integrine,
Proteasen) exprimieren, dazu kommen, dass sie die Kapillare in anderem
Gewebe durchdringen und dort Metastasen bilden.
Man findet bei einigen Patienten ein gestörtes DNA-Reparatursystem,
durch welches die Entstehung von Krebs begünstigt wird.
Bei der Behandlung von Krebs gibt man Medikamente, die selektiv sich
schnell teilende Zellen abtöten. Dabei findet man häufig das Phänomen
der Mehrfachresistenz, bei der man zusätliche DNA findet, die für eine
ATPase kodiert, welche lipophile Arzeneistoffe aus der Zelle
herauspumpt. So werden die Zellen gegen die Wirkstoffe resistent.
Molekulare Grundlagen von Krebs
Es gibt zwei Arten der Krebsentstehung. Zum einen können Krebszellen
durch ein das wachstustimulierendes Oncogen (das normale nicht
krebserzeugende Allel wird Protooncogen genannt) oder durch den
Wegfall einer Wachstumskontrolle über ein Tumor-Supressor-Gen
entstehen.
Bei manchen Tierarten sind Viren eine wichtiger Grund für die
Entstehung von Krebs. Der erste Virus dieser Art wurde bei Hühnern
entdeckt. Der sogenannte Rous-Sarcom-Virus ist ein RNA-Retrovirus, der
seine RNA mittels der Reversen Transkriptase in das Genom der
Wirtszelle integriert und sich nach mehreren Vermehrungszyklen mit der
Wirtszelle wieder aus dem Genom löst und die Zelle verlässt. Dieser
Virus trägt in seinem Genom ein Gen, das als src bezeichnet wird und
für die Tumorentstehung verantwortlich ist.
Für den Virus selbst hat das Gen keine Bedeutung, es wurde vermutlich
zufällig aus dem Genom eines Wirtes genommen und ist mit der Zeit
mutiert. Tatsächlich findet man auch im Genom der Wirte ein analoges
Gen, das im Gegensatz zum viralen v-src als c-src bezeichnet wird.
Wenn ein Proto-Oncogen von einem Virus aufgenommen wird, kann es auf
zweierlei Art zu einem Virus werden: Es kann kann so verändert werden,
dass sich seine Aktivität verändert oder aber es kommt unter die
Kontolle starker viraler Promotoren und Enhancer und wird dadurch im
Überschuss exprimiert. Wenn das Gen in oder in die Nähe seines
zellulären Analogons kopiert wird, spricht man von einer
Insertions-Mutation. Dies kann dann ebenfalls eine anormale
Aktivierung hervorrufen.
Bei einer direkten Untersuchung der menschlichen Krebszellen fand man
weitere Oncogene. In fast jedem vierten Tumor fand sich ein Gen aus
der ras-Familie. Bei der Analyse von krebserzeugenden Krankheiten fand
man die Gene c-myc und c-abl. Bis heute wurden etwa 60 Proto-Oncogene
entdeckt.
Viele dieser Gene regulieren Signalwege, auf denen die Zelle von
Aussen ein Signal zur Teilung erhält. Durch Mutationen findet diese
Signalisierung auch dann statt, wenn kein Signal vorhanden ist.
Im Gegensatz zu der Wirkung in vitro auf eine Zellkultur, wo ein
einzelnes Onkogen zur Transformation ausreicht, sind die Mechanismen
in vivo komplizierter und ein einzelnes Oncogen reicht in der Regel
nicht aus, um Krebs zu verursachen. Erst durch das Zusammenwirken von
zwei oder mehreren Oncogenen kommt es relativ sicher zu Krebs.
Die Untersuchung der Tumorsupressorgene war wesentlich schwieriger,
als der der Oncogene. Hier brachte eine Krebserkrankung namens
Retionblastom die Wissenschaft weiter. Sowohl bei der erblichen als
auch bei der spontanen Form dieser Krankheit fand man eine Deletion
auf dem Chromosom 13. Das fehlende Gen - offenbar ein
Tumorsupressorgen - wird als Retinoblastom- oder Rb-Gen bezeichnet.
Bei der erblichen Form ist eines der beiden Gene bereits beschädigt,
während bei der spontanen Form beide Gene spontan geschädigt
werden. Auch bei vielen anderen Krebsarten fehlt das Rb-Gen in den
Krebszellen.
Beim Menschen sind für die meisten Krebsformen nicht RNA-, sondern
DNA-Viren verantwortlich. Bei diesen Viren, wie dem SV40 aktiviert der
Virus normalerweise den zelleigenen Replikationsapparat, der seine DNA
umsetzt und repliziert. In einigen Fällen integriert er sich aber auch
in das Genom; wenn dann die Gene aktiviert werden, welche den
Replikationsapparat beeinflussen, wirken diese oft als Oncogene.
Die Papillomviren besitzt zwei Proteine, die an die Proteineprodukte
zweier Tumorsupressorgene binden und so die Zelle zur Teilung
bringen. Die beiden inaktivierten Proteine sind Rb und p53.
Das p53 verhindert die Zellteilung, indem es die Transkription eines
andern Proteins fördert welches wiederum die Zelle an dem Eintritt in
die S-Phase hindert. p53 wird unter normalen Bedingungen kaum
exprimiert. Wird eine Zelle durch Stahlung oder ähnliches geschädigt,
dann wird der Abbau von p53 verringert, sine Konzentration steigt und
die Zelle tritt nicht in die S-Phase ein, sonder beginnt entweder
zunächst eine DNA-Reparatur oder geht in Apoptose.
Bei dem Wegfall dieses Proteins teilen sich die Zellen weiterhin, ihre
Chromosomen können zerbrechen und wenn dabei dann ausserdem Oncogene
verdoppelt werden, entsteht Krebs.
In vielen Krebszellen findet sich ein hohes Mass an mutiertem p53, das
scheinbar eine Art ,,Notbremse`` der Zelle darstellt.
Der Dickdarmkrebs tritt normalerweise erst im höheren Alter auf. Man
kann das Wachstum des Tumors gut verfolgen, da sich an der Innenseite
des Dickdarms ein sogenannter Polyp ausstülpt, eine gutartige
Ausbuchtung, die offensichlich der Vorläufer eines bösartigen Tumors
ist. Man findet bei vielen Patienten eine Mutation, die das p53
inaktivieren und auch eine Überaktivierung von ras ist relativ
häufig.
Bei einer erblichen Form ist das Gen APC, das für Zellinteraktionen
verantwortlich ist ein Hauptauslöser für den Tumor. Dies führt aber
zunächst nur zu einem Epithel mit einer starken Zellvermehrung. Erst
durch Mutationen in weiteren Genen kommt es dann zu den nächsten
Stadien, wobei jedes Stadium mit einer bestimmten Mutation assoziiert
werden kann.
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