Zahl der Gene
Auf Grund der statistischen Zahlen, die man betreffend die
durchschnittliche Genlänge und den durchschnittlichen Abstand der Gene
voneinander besitzt, kann man die Anzahl der Gene - z.B. beim
Menschen 125.000 - schätzen.
Auf der Grundlage von Experimenten mit RNA schätzt man weiterhin, dass
von diesen Genen im Durschnitt 10.000 bis 20.000 in einer Zelle
exprimiert werden.
Gene, die aus einem Vorläufergen hervorgegangen sind, werden als
Genfamilie bezeichnet; mehrere Genfamilien werden zu einer
Superfamilie zusammengefasst. Wenn die Gene innerhalb eines Ortes in
Tandemwiederholung hintereinander liegen, bezeichnet man dies als
Gencluster.
Gene, die früher eine Funktion hatten, heute aber inaktiv sind, werden
Pseudogene genannt.
Bei Drosophila kann man in bestimmten Entwicklungsstadien sogenannte
Polytän-Chromosomen mit einer deutlichen Bandenstruktur
erkennen. Lange Zeit versuchte man, diese Banden in Relation zu einer
Funktion zu setzen.
Um dies herauszufinden, wurden massiv Mutationen in ein Chromosom
eingeführt. Dadurch ergaben sich lethale Mutationen, die dann zu
Komplementationsgruppen zusammengefasst werden konnten. Man findet
zwar keine absolute aber doch eine recht gute Korelation zwischen der
Anzahl der Banden und der Anzahl der Komplementationsgruppen.
Ob dies Zufall ist oder eine funktionelle Bedeutung hat, ist nicht mit
Sicherheit zu sagen; man kann allerdings die Anzahl der lethalen Gene
auf ca. 5.000 bei Drosophila schätzen. Diese Gene werden als
essentiell bezeichnet.
Bei den nichtessentiellen Genen, bei denen eine Deltion zu keinem
sichtbaren Effekt führt, gibt es zwei Erklärungen: Entweder sind die
Gene nur für eine unwichtige Funktion zuständig, oder aber die liegen
redundant, d.h. in mehreren Wiederholungen vor, so dass die Deletion
eines Gens keine Auswirkung zeigt.
Die Globingene sind ein gutes Beispiel für einen Gencluster. Sie
bestehen bei allen Tieren aus drei Exons und man kann davon ausgehen,
dass sie von einem Vorläufer abstammen. Da sie aus zwei Untereinheiten
bestehen, müssen diese an unterschiedlichen Stellen des Genoms
identisch geregelt werden, damit sich die gleiche Anzahl an Einheiten
ergibt. Eine weitere Besonderheit der Globine ist die Tatsache, dass
sich die embryonalen Globine von den adulten unterscheiden und somit
in verschiedenen Entwicklungsphasen verschiedene Globine exprimiert
werden.
Die embryonalen und die adulten Formen der Untereinheiten und
sind in zwei Clustern angeordnet.
Innerhalb dieses Clusters befinden sich auch Pseudogene.
Die Struktur
des Genclusters ist zwar zwischen den Vertebraten ähnlich, allerdings
können funktionsfähige Gene bei einem Individuum Pseudogenen bei einem
anderen entsprechen.
Ebenso unterscheidet sich die Anordnung der einzelnen Gene zwischen
den Tieren. Eine solche Veränderung des Genclusters beruht häufig auf
einem ungleichen Crossing-over. Bei einem ungleichen Crossover kommt
es zu einer Rekombination von nichtallelen Sequenzen; so rekombiniert
Gen1 des einen Chromosoms nicht mit Gen1 des anderen, sondern mit
Gen2, das ebenfalls eine hohe Homologie aufweist.
Auf diese Weise entstehen nichtreziprok-rekombinierte Chromosomen, bei
denen im einen Fall eine Deletion, im anderen eine Duplikation
vorliegt.
Die Deletion von -Genen führt zu Thalassämien oder anderen
Krankheitsbildern. Teilwerise können dabei auch Gene verschmelzen. So
wird etwa das Lepore-Hämoglobin durch eine Fusion der adulten und der
embryonalen -Kette gebildet.
Andererseits haben aber solche Rekombinationen in der Evolution der
Cluster sicherlich eine wichtige Rolle gespielt. Der evolutive Prozess
kann an Hand der Globine über die Pflanzen, die Fische bis hin zum
Menschen verfolgt werden und weist den Charakter einer
kontinuierlichen Entwicklung auf. Wenn auf diese Weise innerhalb einer
Populatin zwei oder mehr allele Varianten entstehen, spricht man von
einem Polymorphismus.
Wenn bei einer Mutation die Codierung der AS
verändert wird, spricht man von einer nichtsynonymen, ansonsten von
einer stillen Mutation. Auch eine stille Mutation kann die Translation
beeinflussen, da die RNA geändert wird und es z.B. dazu kommen kann,
dass weniger effektive tRNAs eingesetzt werden und die Translation
weniger effektiv abläuft. Im Allgemeinen ist die Mutationsrate der
stillen Positionen jedoch deutlich höher als die an nichtsynonymen
Postitionen.
Man kann die kontinuierliche Divergenz in den Globingenen nutzen,
indem man sie als Mass für eine Evolutionsuhr nimmt, die anzeigt, wann
sich ein Tier von der Evolutionsline getrennt hat.
Pseudogene sind Gene, die mit funktionstüchtigen Genen verwandt sind,
selbst aber auf Grund von Mutationen nicht mehr exprimiert werden
können. Die Mutationen treten in diesen Genen gehäuft auf, so dass sie
eine recht genaue Abschätzung erlauben, wann sich die Divergenz
zwischen dem Pseudogen und dem funktionsfähigen Gen entwickelte und da
erst nach einer Mutation eines Gens zu einem Pseudogen die Mutationen
in den stillen und den nichtsynonymen Basen gleich ist, lässt sich
auch berechnen, wie viel Zeit die beiden Gene beide funktionstüchtig
waren und seit wann eines der Gene ein Pseudogen ist.
Im Gegensatz zu den Globingenen findet man in den Genclustern der rRNA
und der tRNA viele Tandemsequenzen, die für die selbe RNA codieren.
Da die rRNA-Sequenzen alle identisch sind, muss ein spezieller
Mechanismus die Mutation verhindern. Normalerweise würde man erwarten,
dass nach einer Genduplikation der Selektionsdruck stark abnehmen
würde und somit eine der Kopien starken Veränderungen unterworfen
wäre, bis deren Ausmass ein Pseudogen erzeugt und der Selektionsdruck
darauf hin wieder steigt.
Die in der Praxis stattfindende Coevolution wird dadurch erreicht,
dass die Gene nicht unabhängig voneinander weiter gegeben werden,
sondern vor der Weitergabe durch die Verdopplung einer der beiden
Kopien neu erzeugt werden.
Bei dem Mechanismus der Genkonversion nimmt man an, dass die beiden
Gene durch ein spezialisiertes Enzym miteinander verglichen werden und
Fehler ausgeglichen werden.
Um zu verhindern, dass einzelne Kopien negative Mutation ansammeln
wurden zwei Mechanismen vorgeschlagen:
Der Mechanismus der plötzlichen Korrektur nimmt an, dass das gesamte
Cluster von Zeit zu Zeit von einem vollständigen Satz neuer Kopien
ersetzt wird. Durch die Variabilität der Zwischensequenzen ist dieses
Modell jedoch unwahrscheinlich.
Das Modell der Cross-Fixierung postuliert, dass das gesamte Cluster
einer kontinuierlichen Umordnung durch ein ungleiches Crossover
unterliegt.
|